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Crowdfunding – private Unterstützer finanzieren ein Musikschulprojekt

Erstes Musiktheaterprojekt „Peter und der Wolf“ an der Westerlandschule Berlin-Pankow – ein Erfahrungsbericht von Susann Krieger

Im Saal wird gebaut, gehämmert, geputzt. Ansgar Vollmer, Schulleiter der Westerlandschule (Musikschule in Berlin-Pankow) hängt schwarzen Molton vor die großen Fenster. Der Flügel wird zurecht geschoben, Keyboards aufgebaut, die Stühle werden für das Orchester in die richtige Position gerückt. Nach und nach entsteht ein Bühnenbild. Es ist der Vortag zur Premiere des ersten Musiktheaterprojekts an der Westerlandschule. Etwa zwanzig Kinder zwischen 7 und 12 Jahren werden „Peter und der Wolf“ auf die Bühne bringen.

Die Idee

Die Idee zu diesem Projekt hatte ich etwa vor einem Jahr. Für die Westerlandschule ist das gemeinsame Musikmachen ihrer Schülerinnen und Schüler ein zentraler Bestandteil. Zahlreiche große Popkonzerte haben bereits stattgefunden – Konzerte, bei denen für jeden Song die Bandbesetzungen variieren und mitunter bis zu 40 Kinder und Jugendliche auf einer Bühne stehen.

Im klassischen Bereich gab es ein so großes Projekt bisher noch nicht. Ich wollte gern etwas auf die Beine stellen, das über Wochen und Monate wächst. Am Ende sollte eine große Aufführung stehen. Beginnen wollte ich mit einem Stück, das die meisten kennen. Die Idee zu „Peter und der Wolf“ war geboren. Neben der musikalischen Arbeit stellte ich mir auch eine szenische Umsetzung vor. Die Kinder sollten direkt am Prozess beteiligt werden. Sie sollten ihre Kreativität einbringen.

Mit Beate Theiss, einer ausgebildeten Choreographin und Tanzpädagogin, und Karolin Roelcke-Farrenkopf, Klavierlehrerin wie ich, hatte ich mein Team schnell zusammen. Wir fragten Schülerinnen und Schüler, wer Lust hatte, mitzumachen, unabhängig von ihrer Fähigkeit am Instrument.

Wir bauen die Stuhlreihen und Bänke auf. Der Beamer brummt, Bilder von den beteiligten Kindern – Szenen aus „Peter und der Wolf“ – erscheinen auf der weißen Wand. Wir testen das Licht und atmen Theaterluft in der Musikschule. Die Kostüme liegen auf den Stühlen für die kleinen Darsteller bereit. Den ganzen Tag haben wir geschuftet, geschleppt, geschwitzt. Jetzt setzt die frühe Abenddämmerung ein und die ersten Kinder kommen zur Generalprobe. Die Kleineren werden von den Eltern gebracht. Ein Staunen macht sich auf allen Gesichtern breit. Die Geschichte, die wir monatelang geprobt haben, hat nun auch ihre eigene Theaterbühne.

Die Anfänge

Anfang Januar hatten wir die Arrangements fertig und verteilten die Noten an die Kinder und ihre jeweiligen Fachlehrer. Im Februar begannen die szenischen Proben, kurz darauf die musikalischen. Unser Musiktheater-Abenteuer hatte begonnen.

An vielen Wochenenden arbeiteten wir nun zusätzlich. Außerhalb der Unterrichtszeit saßen Beate, Karolin und ich oft zusammen, um über Fortschritte, Probepläne und organisatorische Abläufe zu diskutieren. Schnell stellten wir fest, ohne finanzielle Unterstützung würden wir nicht weit kommen. Neben dem immensen Arbeitsaufwand produzierten wir auch materielle Kosten für Noten, Kostüme, Werbung usw. Wir brauchten einen Plan. Bereits im Vorfeld hatte ich Quellen öffentlicher Zuschüsse durchforstet, immer mit dem Ergebnis, dass wir entweder nicht ins Profil passten oder dass das Stellen eines Antrages mit soviel Mehraufwand verbunden sein würde, dass wir kopfschüttelnd davon Abstand nahmen.

Mir schwirrte ein anderer Gedanke durch den Kopf: Crowdfunding. Ich selbst hatte bereits auf diesem Weg zwei Kulturprojekte unterstützt, die beide durch dieses Modell erfolgreich umgesetzt werden konnten. Warum sollten wir das nicht auch probieren?

Crowdfunding – was ist das?

Beim Crowdfunding (aus dem englischen „crowd“ – Menge, „funding“ – Finanzierung) finanzieren viele Menschen ein Projekt. Sie werden meist über das Internet organisiert. Die Unterstützer erhalten eine Gegenleistung, die mit dem Projekt selbst zu tun haben. Sollte die gewünschte Zielsumme nicht zusammen kommen, erhalten alle Unterstützer ihr Geld zurück.

Mittlerweile gibt es zahlreiche Crowdfunding- Plattformen im Netz. Ich entschied mich für „VisionBakerey“, da ich sie aus den von mir unterstützten Projekten kannte.

Die Betreiber der Plattform beraten und unterstützen während der gesamten Laufzeit der Kampagne und bekommen lediglich im Falle einer erfolgreichen Finanzierung ihre Prozente – für mich eine faire Sache ohne Risiko.

Wir als Team stellten uns nun folgende Fragen:

  1. Wen wollen wir erreichen?
  2. Wie wollen wir sie erreichen?
  3. Was benötigen wir, um die Aktion zu starten?
  4. Welche Zielsumme ist realistisch?
  5. Wie definieren wir das Ziel unseres Projektes?

Wir entschieden uns für 3000 Euro als Zielsumme, drehten einen kurzen Film, in dem wir unser Projekt vorstellten, wählten Fotos aus, formulierten unsere Ziele und Gegenleistungen für unsere potentiellen Unterstützer. Sobald die Kampagne startete, verbreiteten wir sie in den sozialen Netzwerken, schrieben die Schüler- Eltern und Freunde direkt an, legten Handzettel in der Musikschule aus. Darüber hinaus sprachen wir unsere potentiellen Unterstützer persönlich an und hielten sie während des gesamten Verlaufs unserer Aktion über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden.

Und so sieht unsere Präsentation auf der Crowdfunding-Plattform aus.

Unsere Crowdfunding-Aktion entpuppte sich gleichzeitig als tolle Werbemaßnahme, denn wir erreichten viele Menschen außerhalb der Musikschule, die so auf unsere Arbeit aufmerksam wurden. Wir generierten ganz nebenbei unser Publikum.

Von der Generalprobe bis zur Premiere

Es ist 20 Uhr am Vorabend der Premiere. Die Generalprobe ist vorbei. Die Müdigkeit des Schultages und der anstrengenden Probe ist den Kindern anzumerken, noch einmal haben sie ihre ganze Kraft gebündelt. Noch bin ich skeptisch, ob die Aufführung gelingen wird, eine unruhige Nacht liegt vor mir. Den Kindern geben wir letzte Anweisungen, bevor wir sie nach Hause schicken.

Wir sind erschöpft, obwohl wir die innere Anspannung deutlich spüren. Ein kurzes Gespräch, dann machen auch wir das Licht aus.

Gut zwei Wochen vor Ablauf der Zahlungsfrist hatten wir unser Geld zusammen, sogar mehr als erhofft. Wir waren froh und erleichtert und stellten uns die Frage, wer uns da eigentlich unterstützte? Das Ergebnis überraschte uns. Die, die wir glaubten, in erster Linie zu erreichen, erreichten wir nur teilweise. Entgegen unserer Erwartungen beteiligte sich gerade mal ein Viertel der Elternschaft an der Crowdfunding-Aktion.

Die meisten Unterstützerinnen und Unterstützer kamen aus unserem Familien- und Freundeskreis.

Wird unsere Arbeit von den Eltern ernst genommen? Wird sie gewertschätzt? Was sagt das Ergebnis generell über die Wahrnehmung unseres Berufes aus? Ist allen klar, dass unsere Musikschule und damit auch ihre freien Honorarkräfte keinerlei öffentliche Unterstützung erfahren und dass wir die Arbeit über den Einzelunterricht hinaus ehrenamtlich machen? Das sind die großen Fragen, denen wir uns ohnehin oft aussetzen, über die wir Mutmaßungen anstellen können, die uns ermüden und bisweilen frustrieren. Einfache Antworten gibt es nicht.

Am Tag der Premiere. Laute Aufregung. Nur mit Mühe können wir die wilden Gemüter zur Ruhe bringen, sie einspielen, ihre Körper aufwärmen, sie auf die Aufführung einstellen. Alle sind nervös, die Aufmerksamkeit reicht gerade von einer bis zu anderen Minute. Kurz vor Beginn versammeln wir alle jungen Musiker und Darsteller um uns, sprechen ihnen Mut zu und wünschen ihnen vor allem viel Spaß. Dann wird es ernst.

Die Kinder betreten den vollen Saal, das Publikum beendet die Gespräche. Nach einer kurzen Ansprache beginnt das Theater. Die Sprecherin spricht ihren ersten Text, die Musik setzt ein. Die Bilder an der Wand wechseln mit jeder Szene und die Kinder ihre Positionen, mal sind sie Instrumentalisten, mal Akteure auf der Bühne. Das Publikum reagiert, lacht, klatscht. Nach einer halben Stunde ist alles vorbei. Fast alles hat geklappt. Glücklich essen wir unseren Kuchen danach und feiern gemeinsam mit den Kindern, Eltern und Freunden.

Das Premierenwochenende mit zwei Vorstellungen liegt hinter uns. Wir sind müde, aber zufrieden mit dem Ergebnis. Die Kinder sind zu einem tollen Team zusammen und über sich hinaus gewachsen. Beate, Karolin und ich sind berührt über die Entwicklung, die wir über die Monate mit erleben konnten. Auch wir haben viel dazu gelernt.

Und wir spielen wieder. Das Motto „Kinder spielen für Kinder“ (eines unserer erklärten Ziele) können wir in Kürze umsetzen, denn eine Grundschule hat unser „Peter und der Wolf“-Team gebucht. Ende November besuchen 200 Kinder der 3. und 4. Klassen unsere Schule, um sich das Spektakel anzuschauen. Die Reise geht also weiter.

Mein Fazit

Unser Pilotprojekt haben wir erfolgreich abgeschlossen. Die Arbeit war kräftezehrend und gleichzeitig eine großartige Erfahrung. Wir haben die Freude bei den Kindern gespürt und konnten, anders als im Einzelunterricht, eine andere, intensive Beziehung zu ihnen aufbauen.

Wir möchten diese Arbeit fortsetzen, die nächste Idee ist schon geboren.

Das Crowdfunding hat uns geholfen, unser Vorhaben umzusetzen. Ein zweites Musiktheaterprojekt werden wir auf diesem Weg nicht finanzieren. Wir wollen das Fach „Musiktheater“ in unserer Musikschule anbieten und uns in Zukunft über Unterrichtsgebühren finanzieren. Der Gedanke ist, dass sich jedes interessierte Kind für ein Jahr vertraglich verpflichtet, diesen Kurs zu besuchen. Wir garantieren am Ende des Kurses mindestens eine öffentliche Aufführung.

„Peter und der Wolf“ hat unsere Vision, ein Musiktheaterkurs zu etablieren, greifbar gemacht. Die Eltern, das Publikum und die beteiligten Kinder selbst wissen jetzt, was Musiktheater an einer Musikschule heißen kann.

Ich bin gespannt, wie viele Kinder sich am nächsten Projekt beteiligen werden.

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Susann Krieger studierte Korrepetiton/ Musiktheater (HfM Dresden) und Rundfunk-Musikjournalismus (HfM Karlsruhe). Sie arbeitet als freie Autorin für verschiedene ARD-Rundfunkanstalten (u.a. WDR, BR, MDR, SWR) und unterrichtet Klavier. 2017 erhielt sie den Deutschen Radiopreis für die beste Reportage und wurde für den Prix Europa nominiert.

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