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Schüler kommt nicht: Lehrer hat trotzdem Anspruch auf Bezahlung der Unterrichtsstunde!

Immer wieder berichten Musikschullehrer, dass Schüler ihren Unterricht absagen und die ausgefallene Stunde dem Lehrer nicht honoriert wird. Das ist rechtswidrig! Der Anspruch auf Bezahlung bleibt für den Lehrer bestehen, auch wenn er die Unterrichtsstunde gar nicht hält. Doch vielen Musikschulleitern scheint das nicht bekannt zu sein.

Ein Leiter einer Musikschule beschäftigt einen oder mehrere Lehrer. Dem Lehrer werden vom Musikschulleiter Unterrichtsräume zur Verfügung gestellt, kümmert sich um die Akquirierung von Schülern sowie um die anfallenden Verwaltungsarbeiten. Der Lehrer verpflichtet sich gegenüber der Musikschule, den vereinbarten Unterricht zu erteilen. Zwischen dem Lehrer und der Musikschulleitung wird also ein „Dienstvertrag“ abgeschlossen – sofern es sich bei dem Beschäftigungsverhältnis um eine freiberufliche Beschäftigung handelt.

Das bedeutet: der Lehrer bietet seine Dienste als Lehrkraft an, die Musikschule nimmt diese Dienste in Anspruch. Daraus ergibt sich juristisch gesehen der Anspruch des Lehrers auf Bezahlung.

Stark vereinfacht gestaltet sich der Vertragsschluss wie folgt:

Die Lehrkraft sagt zum Musikschulleiter: „Ich würde gerne Dienstags um 15.30h eine Unterrichtsstunde geben und hätte dafür gerne 10 Euro.“

Daraufhin antwortet der Musikschulleiter: „Super, ich nehme Dein Angebot an und schicke Dir einen Schüler, den Du Dienstags um 15.30h unterrichten kannst. Die 10 Euro werde ich bezahlen.“

Das Beispiel zeigt eine Vereinbarung, in dem beide Parteien ihre jeweiligen Verpflichtungen erklärt haben. Sie haben einen Dienstvertrag geschlossen. Der Anspruch des Lehrers auf die Bezahlung von 10 Euro ist also unstrittig.

Was passiert aber, wenn der Schüler nicht kommt?

Kommt der Schüler nicht, – wegen Krankheit, schulischer Verpflichtungen oder aus anderen Gründen – so ändert das nichts an der Vereinbarung zwischen Lehrkraft und Musikschule. Der Lehrer steht zur verabredeten Zeit dem Schüler für den Unterricht zur Verfügung, das heißt, er ist vor Ort in der Musikschule. Die Musikschulleitung hat sich im sogenannten „Dienstvertrag“ verpflichtet, dem Lehrer das vereinbarte Honorar zu zahlen.

Die Vereinbarung ist vergleichbar mit der Vermietung einer Wohnung:

Der Vermieter sagt: „Du kannst im Monat Juni meine Wohnung mieten. Dafür hätte ich gerne 500 Euro.“ Der Mieter sagt: „Ich bin damit einverstanden . Ich ziehe ein und bezahle Dir dafür die geforderten 500 Euro.“ Wenn der Mieter dann übers Wochenende in den Urlaub fährt und die Wohnung nicht nutzt, so kann er auch nicht die Miete um diese drei Tage kürzen, denn der Vermieter hat die Leistung (nämlich die Wohnung) angeboten und der Mieter hat sie in Anspruch genommen. Hier kommt niemand auf die Idee, Diskussionen über Kürzungen der Miete zu führen.

Was tun, wenn die Musikschule trotzdem die Zahlung verweigert?

Nun, diese Frage ist einfach zu beantworten: Als erstes empfehlen wir der Lehrkraft, die Musikschulleitung darauf anzusprechen. Eine Kürzung des Honorars wegen ausfallenden Schülerstunden ist schlichtweg unzulässig.

Fakt ist: Die Musikschule handelt rechtswidrig. Der Musiklehrer hat seine Leistung angeboten, die Musikschule hat das Angebot angenommen und somit ist ein rechtsgültiger Vertrag zustande gekommen. Ob die Leistung abgerufen wurde oder nicht, spielt keine Rolle.

Sollte die Musikschule sich querstellen, gibt es weitere Möglichkeiten, sich zu einigen:

Die einfachste: Der Lehrer schreibt eine Rechnung an die Musikschule über die verweigerten Unterrichtsstunden und mahnt diese bei Nichtzahlung an. Dies kann bis zum Mahnbescheid und anschließendem Vollstreckungsbescheid gehen – was das gute Recht der Lehrkraft ist.

Wenn sich beide Seiten noch immer nicht einigen, kann die Lehrkraft einen Rechtsanwalt hinzuziehen oder einen Ansprechpartner bei ver.di Musik zu Rate ziehen.

Übrigens: Sollte die Musikschule argumentieren, dass diese Vorgehensweise im Honorarvertrag so geregelt sei, so kann der Lehrer dagegenhalten, dass die entsprechende Klausel unwirksam sei und einer rechtlichen Prüfung nicht standhalten würde.

Rechtlich unzulässige Dinge werden nicht dadurch zulässig, dass man sie in einem Vertrag schriftlich festhält.

Und wenn man das Ganze einmal nüchtern betrachtet, so ist diese rechtswidrige Vorgehensweise eine Bereicherung der Musikschule auf Kosten der Lehrkraft.

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Michael Herrmann ist Musikschulleiter und geschäftsführender Gesellschafter der intakt Musikinstitut gemeinnützigen GmbH in Pfaffenhofen. Er studierte Jazz-Piano und unterrichtet Klavier und Gesang, ist Gründer und ehemaliger Herausgeber von musikschule intern und ist darüber hinaus als Musiker unterwegs.

2 Kommentare

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Liebe Jasmin,

    der Artikel ist in der Tat älter und im Hinblick auf aktuelle Urteile kritisch zu hinterfragen. Vielen Dank für Ihren Hinweis.

    Man muss sicher unterscheiden zwischen kurzfristig ausgefallenen Stunden und andauernd wiederholt ausfallenden Stunden. Ein wichtiges Kriterium für die selbstständige Arbeit ist das unternehmerische Risiko einer Honorartätigkeit. Nur erbrachte Leistung kann in Rechnung gestellt werden.

    In bestimmten Situationen ist die Zahlung eines Ausfallhonorars möglich. Dies gilt z.B. wenn der Auftraggeber kurzfristig Termine absagt, also der Schüler unentschuldigt oder nicht fristgerecht zum Unterricht erscheint.

    Die Ausgestaltung der Fristen und Regeln zur Zahlung eines Ausfallhonorars bleibt den Vertragspartnern überlassen. Dabei ist der Erhalt des unternehmerischen Risikos für die Honorarkraft zu beachten. Die Zahlung eines Ausfallhonorars für erwartbar nicht erbrachte Leistung, aufgrund langfristig angekündigter Unterrichtsausfälle, scheint mir daher nicht angebracht.

    Soweit die Einschätzung eines juristischen Laien. Wir werden den Artikel prüfen und gegebenenfalls ersetzen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Frank Korte

  2. Hallo Herr Herrmann,

    gilt diese Regelung auch nach dem Herrenberg Urteil?

    Mir wird z. B. ab der dritten abgesagten Stunde kein Honorar mehr bezahlt und nun heißt es aufgrund des Urteils werden alle abgesagten Stunden nicht mehr bezahlt, da es sich ja um eine Lohnfortzahlung handeln würde und somit ein Kriterium der Scheinselbstständigkeit handelt.

    Haben Sie hier eine Einschätzung?

    Herzlichen Dank im Voraus.

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