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Achtung Falle: Scheinselbständigkeit bei Musiklehrern

Eine Musikschule entlässt 2011 einige ihrer festangestellten Lehrer. Kurz darauf werden sie als Honorarkräfte wieder eingestellt. Die Rentenversicherung bekommt Wind von der Sache und erstattet Anzeige. Das Landesozialgericht entscheidet im April 2016, dass eine Scheinselbständigkeit der Honorarkräfte vorliegt. Die Stadt muss für die betreffenden Honorar-Lehrer die Sozialversicherungsbeiträge für den gesamten Zeitraum nachzahlen.

So geschehen an der städtischen Musikschule in Essen.

Die Beschäftigung von Honorarkräften an Musikschulen ist durchaus üblich: das gilt für privat geführte, gemeinnützige und kommunale Musikschulen. Dass Musikschulleiter und Musiklehrer dabei allerdings oftmals bereits in scheinselbständigen Beschäftigungsverhältnissen und somit illegal arbeiten, ist vielen nicht bewusst.

Am 1. April 2017 trat eine Überarbeitung des Paragraphen 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Kraft. Das BGB legt eine klare Liste an Kriterien fest, anhand derer Scheinselbständigkeit definiert wird.

Schlussfolgerung: Musikschulen arbeiten oft am Rande der Legalität.

1. Gefahr: Feste Arbeitszeiten

Ein Musiklehrer, der fest vorgegebene Arbeitszeiten hat und keinen Einfluss darauf hat, diese Arbeitszeiten frei nach Belieben zu verändern, gilt als scheinselbständig. In Musikschulen ist es jedoch häufig üblich, dass eine zentrale Verwaltungskraft die Unterrichtstermine mit den Schülern und Lehrern vereinbart. Praktisch für Lehrer und Musikschulleiter, denn die lästige Verwaltung von Terminen wird an eine zuständige Bürokraft abgegeben. Diese kann Musikschul- Interessenten sofort einen Termin anbieten, ohne diesen vorher mit der Lehrkraft abzusprechen.

Das ist nicht gesetzeskonform! Richtig wäre: Ein Interessent ruft in der Musikschule an und fragt nach einer Unterrichtsstunde. Er bekommt durch die Bürokraft oder den Musikschulleiter einen Termin angeboten. Dieser muss wiederum mit dem Lehrer abgestimmt werden.

Die Musikschule darf dem Lehrer keinen Termin verbindlich vorschreiben. Natürlich steht es der Musikschule dann frei, den Interessenten einem anderen Lehrer zu vermitteln.

Im täglichen Unterrichtsbetrieb setzt sich dieses Verbot der verbindlichen Termine fort: Wenn der Lehrer seine Unterrichtsstunden verschieben möchte, sei es nur für diesen einen Tag oder auch für ab sofort in die Zukunft, so hat die Musikschule hierauf keinen Einfluss und muss damit einverstanden sein. In der Praxis ist es natürlich sinnvoll, dass sich Lehrer und Musikschule abstimmen, vor allem hinsichtlich der Raumbelegung. Trotzdem muss die Musikschule dem Lehrer freie Hand bezüglich seiner Arbeitszeiten lassen. Ein Verstoß hiergegen ist ein klares Kriterium für Scheinselbständigkeit.

Auch darf die Musikschule nicht eingreifen, wenn der Lehrer beschließt, sich freizunehmen, sei es um Urlaub zu machen oder für eine Konzertreise.

Kurz zusammengefasst:

  1. Die Musikschule darf dem Lehrer nicht vorschreiben, wann – also zu welcher Uhrzeit, an welchem Tag und wie lange – er zu arbeiten hat. Der Lehrer muss das frei entscheiden dürfen.
  2. Wenn der Lehrer eine Verschiebung der Unterrichtstermine wünscht, muss die Musikschule dem zustimmen (sofern keine Gründe dagegen sprechen, die die Verschiebung unmöglich machen, wie beispielsweise Raumbelegungsprobleme).
  3. Ein Lehrer darf nicht verpflichtet werden, einen Schüler anzunehmen.
  4. Es ist für Lehrer und Musikschule sinnvoll, wenn sich bei Terminvereinbarungen beide Parteien abstimmen. Ein guter Vorschlag für Musikschulen, in denen die Terminvergabe zentral geschieht, wäre es, wenn der Lehrer der Musikschule mitteilt, wann er gerne arbeiten und welche Pausen er wann haben möchte, und die Musikschule dies bei der Terminvergabe berücksichtigt.
  5. Ein Lehrer darf sich jederzeit frei nehmen, um Urlaub zu machen oder andere Termine wahrzunehmen.

2. Gefahr: Weisungsbefugnis der Musikschule

Das ist eigentlich das größte und vor allem gravierendste Problem in der Musikschulwelt, das immer wieder dazu führt, dass Scheinselbständigkeit eintritt: Weisungen der Musikschulleiter an ihre Lehrer.

In der Praxis darf der Musikschulleiter so gut wie keine Vorschriften machen: streng genommen darf er dem Lehrer nur den Auftrag erteilen, den Schüler XY für x Minuten pro Woche zu unterrichten – mehr darf die Musikschulleitung dem Lehrer nicht vorschreiben.

Das betrifft auch die Lehrinhalte, die ein Lehrer vermitteln will. Der Lehrer muss in seiner Unterrichtsgestaltung vollkommen frei sein. Es gibt viele Musikschulen, die mit einem bestimmten Unterrichtskonzept werben oder für diverse Lehrpläne zertifiziert sind, und diese auch in der Werbung konkret kommunizieren. Auch hier gilt: Lehrkräfte dürfen von der Musikschule nicht gezwungen werden, bestimmte Unterrichtskonzepte zu verwenden. Ausnahmen gibt es nicht, hier hilft kein noch so verzweifeltes Argumentieren der Musikschulleitung.

Eine weitere große Falle lauert in folgendem Wort: Anwesenheitspflicht. Ein Musikschulleiter, der ein einziges Rundschreiben veröffentlicht, in dem er seine Lehrer zu einer Lehrerkonferenz oder einem Vorspielabend einlädt und darin das Wort „Anwesenheitspflicht“ verwendet (oder eine ähnliche Formulierung, die impliziert, dass die Musikschulleitung die Anwesenheit eines Lehrers erwartet), macht sich bereits strafbar im Sinne der Scheinselbständigkeit. Dabei ist es unerheblich, ob dies mündlich oder schriftlich erfolgt. Ein Musikschulleiter kann und darf seine Lehrer nur BITTEN, an Vorspielen oder Konferenzen teilzunehmen. Hat der Lehrer dazu keine Lust, darf er nicht gezwungen werden und die Musikschule muss dies hinnehmen.

Natürlich wird es in der Praxis so ablaufen, dass eine Musikschule sich genau überlegt, ob sie einen Lehrer, der nie an Lehrerkonferenzen und Schülervorspielen teilnimmt, im nächsten Schuljahr weiterbeschäftigt. Trotzdem ist der Lehrer frei darin, zu entscheiden, ob er an diesen „Pflichtterminen“ (noch so ein böses Wort) teilnimmt.

Es gibt Musikschulen, die einen kleinen Musikladen angebunden haben. Da in Deutschland die Anzahl der Musikläden stetig sinkt und ein Laden nach dem anderen schließt, haben manche Musikschulen an ihre Lehrer die Anweisung (wieder so ein böses Wort) ausgesprochen, dass Musikinstrumente und Noten ausschließlich im Musikschul-eigenen Laden gekauft werden dürfen. Auch dies ist eine unzulässige Weisung im Sinne der Scheinselbständigkeit, die ein Musikschulleiter nicht aussprechen darf.

Kurz zusammengefasst:

  1. Die Musikschule darf dem Lehrer keine Weisungen erteilen, weder schriftlich noch mündlich.
  2. Ein Musikschulleiter darf Einladungen an seine Lehrer zu Konferenzen oder Konzerten aussprechen. Eine Anwesenheitspflicht darf er nicht verlangen.
  3. Der Lehrer muss frei und unabhängig in seiner Unterrichtsgestaltung arbeiten können. Die Musikschule darf keine Vorschriften machen, welche Lehrinhalte vermittelt werden sollen und wie ein Unterricht abzulaufen hat. Das gilt ausnahmslos, auch wenn die Musikschule für ein Konzept wirbt.
  4. Die Musikschule darf dem Lehrer nicht vorschreiben, wo er die Instrumente und das Unterrichtsmaterial für den Schüler besorgt.

3. Gefahr: Reporting-Pflichten gegenüber der Musikschule

Viele Musikschulen verlangen von ihren Lehrern Berichte verschiedenster Art über die jeweiligen Schüler. Dazu zählen Anwesenheitslisten, Leistungsstandberichte, Prüfungsprotokolle und so weiter. Hier ist die Gesetzgebung etwas schwammig.

Im Prinzip kann man es so formulieren: Wenn die Musikschule vom Lehrer Berichte verlangt, die nichts mit der Abrechnung des Lehrer-Honorars unmittelbar zu tun haben, handelt es sich wieder um ein Indiz für Scheinselbständigkeit.

So kann vom Lehrer durchaus verlangt werden, eine Anwesenheitsliste zu führen, um nachzuweisen, wann welche Schüler da waren. Dies ist nach allgemeiner Auffassung zulässig.

Schwieriger wird es, wenn die Musikschule wissen möchte, auf welchem Stand der Schüler ist und dazu Berichte anfordert. Dabei ist es unerheblich, wie umfangreich diese Berichte sind. Bereits das Anfertigen eines „Jahreszeugnisses“ zum Schuljahresende ist juristisch gesehen bedenklich. Noch schwieriger wird es, wenn die Musikschule detailliert protokolliert haben möchte, was der Schüler bereits gelernt hat, oder welche Kapitel im Buch bereits abgeschlossen sind.

Kurz zusammengefasst:

  1. Die Musikschule darf vom Lehrer keine Leistungsstandsberichte oder vergleichbare Berichte anfordern, aus denen der Lernfortschritt des Schülers hervorgeht.
  2. Berichte, die für die Abrechnung unmittelbar erforderlich sind, darf die Schule anfordern, wie beispielsweise Anwesenheitslisten des Schülers.

4. Gefahr: Die feste Integration in Prozesse und sonstige Infrastruktur der Musikschulen

Dies ist ein äußerst heikler Punkt. An vielen Musikschulen organisiert eine Bürokraft zentrale Aufgaben, übernimmt Telefonate, organisiert Termine mit Lehrern und Schülern, übernimmt die Abrechnung der Lehrer-Honorare. Das ist nur dann zulässig, wenn einige einige Kriterien streng eingehalten werden.

Zunächst einmal ist das Vereinbaren der Termine durch eine zentrale Bürokraft ein Indiz für Scheinselbständigkeit. Dabei kommt es aber sehr stark darauf an, wie der Prozess im Detail abläuft und wie viel Einfluss der Lehrer selbst auf die Terminvereinbarung hat. Die Faustregel heißt: Je mehr der Lehrer hier mitzureden hat, desto unproblematischer ist die Terminvereinbarung.

Wenn Lehrer ihre Termine mit den Schülern auch selbständig ohne die Musikschul-Leitung vereinbaren können, so spricht viel eher für eine echte Selbständigkeit als für eine Scheinselbständigkeit. Natürlich kann die Musikschule erwarten, dass der Lehrer die Musikschule über die geänderten Termine informiert, um die Raumbelegungspläne zu aktualisieren und die Abrechnung mit dem Schüler entsprechend anzupassen.

Wenn hier also ein gutes Miteinander herrscht und der Lehrer sehr frei in seinen Terminentscheidungen ist und auch eigenständig Termine vereinbaren und ändern kann, ist eigentlich alles in Ordnung.

Schwieriger wird es, wenn es um die Abrechnung geht. Theoretisch muss der Lehrer als selbständige Honorarkraft der Musikschule jeden Monat eine Rechnung schreiben. Viele Musikschulen aber sind es leid, ständig den fehlenden Rechnungen ihrer Lehrkräfte hinterherzulaufen und zig mal im Monat Überweisungen vornehmen zu müssen, nur weil es nicht alle Lehrer geschafft haben, bis zu einem bestimmten Datum die Rechnung einzureichen. Diese Musikschulen schreiben dann ihren Lehrern Gutschriften über die Höhe des jeweiligen Honorars.

Der Lehrer muss die Möglichkeit haben, auf die Gutschrift Einfluss zu nehmen. Er muss Einsicht in die detaillierte Abrechnung haben und darauf reagieren können. Andernfalls begibt sich die Musikschule auf dünnes Eis.

Noch viel dramatischer ist es allerdings, wenn die Musikschule selbständig Honorarkürzungen vornimmt oder Teile des Honorars einbehält. Das geschieht in der Praxis hin und wieder und wird Druckmittel gegen den Lehrer eingesetzt, um ihn dazu zu bewegen, etwas bestimmtes zu tun (beispielsweise Nachholstunden abzuliefern oder beim nächsten Schülerkonzert aufzutreten).

Eine Musikschule, die so handelt, macht sich strafbar!

Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die Nutzung der Unterrichtsräume:

Ein Musikschulleiter darf keinem Lehrer vorschreiben, wo er zu unterrichten hat. Dieser kann auch Räume außerhalb der Musikschule nutzen. Verpflichtet ein Musikschulleiter den Lehrer, nur die Räume seiner Musikschule zu nutzen, macht er sich strafbar.

Natürlich kann der Musikschulleiter sich genau überlegen, ob es Sinn macht, einen Lehrer zu beschäftigen, der lieber bei sich zu Hause unterrichtet, aber rein rechtlich gesehen darf sie es dem Lehrer nicht verbieten.

Ebenso darf die Musikschule dem Lehrer nicht vorschreiben, welche Arbeitsgeräte, Instrumente, Computerprogramme oder Apps er zu verwenden hat. Dies ist zwar ein eher unwahrscheinlicher Fall, aber angenommen die Musikschule verbietet das Benutzen eigener Instrumente für den Unterricht, ist das wieder ein Indiz für Scheinselbständigkeit.

Kurz zusammengefasst:

  1. Wenn eine Bürokraft die Terminvereinbarung für die Lehrer vornimmt, muss der Lehrer jederzeit Einfluss auf die Terminvergabe haben.
  2. Ein Lehrer muss selbständig Termine vereinbaren und verschieben dürfen, ohne die Musikschule um Erlaubnis zu fragen. Natürlich darf die Musikschule erwarten, dass der Lehrer die Musikschule rechtzeitig informiert, um den allgemeinen Arbeitsablauf nicht zu stören.
  3. Lehrer, die ihre Honorarabrechnung nicht selbst erstellen müssen, sondern Gutschriften erhalten, müssen vollen Einblick in die Abrechnungsmodalitäten haben sowie Einfluss auf ihre monatlichen Honorare nehmen können. Eine Kürzung des Honorars durch die Musikschule oder das einseitige Einbehalten von Honorar als Druckmittel gegen den Lehrer ist nicht zulässig.
  4. Die Musikschule kann dem Lehrer nicht vorschreiben, wo er unterrichtet. Er hat zum Beispiel das Recht, seinen Unterricht zu Hause erteilen.
  5. Die Musikschule darf nicht verlangen, ausschließlich Arbeitsgeräte und Instrumente der Musikschule zu verwenden, sondern muss es auch erlauben, dass der Lehrer seine eigenen Instrumente, PCs, Tablets, Computerprogramme und Apps einsetzt.

5. Gefahr: Feste Bezüge und Urlaubsanspruch

An Musikschulen ist es nicht üblich, Honorarkräfte pauschal – d.h. unabhängig von den tatsächlich gearbeiteten Stunden – zu bezahlen. Ein ähnliches Modell ist jedoch weit verbreitet:

Viele Musikschulen bezahlen ihren Lehrern jeden Monat das Honorar als ein Zwölftel eines Jahreshonorars aus, unabhängig davon, wie viele Unterrichtsstunden gehalten worden sind, ob Ferien- oder Feiertage waren, oder ob der Schüler oder der Lehrer anwesend war oder nicht. Dies ist nur dann unproblematisch, wenn vertraglich zwei Dinge konkret festgelegt worden sind: Es muss zum einen klar formuliert sein, dass das Jahreshonorar für einen Schüler mit dem Tarif XY die Höhe z beträgt, und zum anderen wie viele Unterrichtsstunden der Lehrer dafür zu halten hat, und dass dieses Jahreshonorar in zwölf gleichen Raten ausbezahlt wird. Nur dann ist es ungefährlich, dem Lehrer monatlich den gleichen Betrag für diesen Schüler zu bezahlen.

Entsprechende Formulierungen sind für die Honorarverträge zwischen Musikschule und Lehrer äußerst ratsam.

Kleine Randnotiz außerhalb des Themas „Scheinselbständigkeit“: Ironischerweise widerspricht sich die Rechtsprechung in diesem Punkt übrigens selbst: Für den Fall, dass Lehrer jede einzelne Stunde abrechnen und somit jeden Monat einen anderen Rechnungsbetrag erreichen und diese einreichen, stuft die Rechtsprechung diese Honorarkraft als einen sogenannten „arbeitnehmerähnlichen Selbständigen“ ein, welcher wiederum einige Rechte hat, die über die einer normalen Honorarkraft hinausgehen. So kann ein solcher arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger beispielsweise einen Anspruch auf bezahlten Urlaub anmelden, sowie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Für Musikschulen ist es also durchaus die rechtssicherere Methode, den oben beschriebenen Modus für die Bezahlung des Honorars anzuwenden, also monatlich 1/12 des Jahreshonorars an den Lehrer auszubezahlen, unabhängig von der Anwesenheit des Lehrers.

Darüber werden wir in einem gesonderten Artikel berichten.

Kurz zusammengefasst:

  1. Die Honorarabrechnung muss leistungsbezogen und darf nicht pauschal sein.
  2. Achtung: Lehrkräfte, die Einzelstunden jeden Monat abrechnen, haben einen Anspruch auf bezahlten Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall!Unser Tipp: Bezahlen Sie Ihren Lehrern lieber monatlich 1/12 des Jahreshonorars für diesen Schüler.

6. Gefahr: Gleiche Tätigkeit wie fest angestellte Mitarbeiter

Gerade in kommunalen Musikschulen, in denen häufig sowohl fest angestellte als auch freiberufliche Musiklehrer arbeiten, ist es gang und gäbe, dass die Freiberufler vollkommen gleich behandelt werden wie die fest angestellten Lehrer. Sie haben die gleichen Aufgaben, die gleichen Pflichten und die gleichen Rechte. Ist dies der Fall, so handelt es sich mit sehr großer Wahrscheinlichkeit um Scheinselbständigkeit. Msi empfiehlt: beschäftigen Sie ausschließlich fest angestellte oder ausschließlich freiberufliche Lehrkräfte.

Noch schlimmer ist es, wenn wie im eingangs erwähnten Beispiel die Honorarkraft zuvor angestellt war und nun als Freiberufler die gleichen Tätigkeiten erfüllt. Dies ist ein sehr klares Indiz für Scheinselbständigkeit. Die städtische Musikschule Essen wähnte sich hier besonders schlau und musste dafür bitter bezahlen – sicher zurecht.

7. Gefahr: Fehlendes eigenes Auftreten als Geschäftsmann

Musiklehrer, die kein eigenes Auftreten als Geschäftsmann haben, beispielsweise kein eigenes Briefpapier und keine eigenen Visitenkarten, sollten sich in ihrem eigenen Interesse ein solches zulegen. Fehlendes eigenes Auftreten als Geschäftsmann wird vor Gericht als Indiz für Scheinselbständigkeit gewertet.

Dabei müssen die gar nicht viel Geld für professionelle Grafiker ausgeben – selbst gebasteltes Briefpapier und Visitenkarten sind vollkommen ausreichend. Zeitgemäß wäre auch eine eigene Website im Internet oder zumindest eine eigene Facebook-Seite, aus der hervorgeht, dass die Lehrkraft Musikunterricht anbietet.

8. Gefahr: Verbot von Vertretungslehrern

Es kommt immer wieder vor, dass ein Lehrer verhindert ist, sei es durch Krankheit oder aus anderen Gründen. In diesen Fällen muss es dem Lehrer erlaubt sein, einen gleich qualifizierten Vertretungslehrer seiner Wahl zu schicken, welchen er auch selbst bezahlt. Im Gegenzug darf die Musikschule nicht ohne das Einverständnis des Lehrers einfach einen Vertretungslehrer beauftragen.

Was kann ich tun, um Scheinselbständigkeit zu vermeiden?

Zunächst einmal sollten Sie den Mustervertrag verwenden, den der bdfm seinen Mitgliedern kostenlos zur Verfügung stellt.

Dann sollten Sie – so schwer Ihnen das auch fällt – diesen Mustervertrag auch so leben, wie er geschrieben steht! Es hilft absolut nichts, wenn Sie als Musikschulleiter auf Ihren bisher gelebten Routinen beharren und anfangen zu jammern, man könne doch so nicht arbeiten und die ganze Musikschule würde zusammenbrechen wenn man wie oben gefordert zu arbeiten begönne.

Machen Sie die Augen auf! Um es einmal ganz klar zu formulieren: Wenn Sie nicht so arbeiten, wie in diesem Artikel beschrieben, so beschäftigen Sie Ihre Mitarbeiter scheinselbständig! Und das ist keine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat!

Was passiert, wenn eine zuständige Behörde Scheinselbständigkeit feststellt?

Die Folgen für die Musikschule sind nicht trivial – in der Regel werden sie in die Insolvenz führen.

  1. Die Musikschule muss sowohl die Arbeitnehmer- als auch die Arbeitgeberanteile der Sozialversicherungsbeiträge für bis zu vier Jahre nachzahlen, zuzüglich nicht unerheblicher Säumniszuschläge. Nicht nur für den einen Musiklehrer, bei dem Scheinselbständigkeit festgestellt worden ist, sondern für alle Musiklehrer!
  2. Darüber hinaus werden noch Lohnsteuernachzahlungen ebenfalls für bis zu vier Jahre fällig.
  3. Wenn der Musikschule Vorsatz nachgewiesen werden kann, (was in der Regel der Fall ist, wenn die Musikschule schon einmal auf die Scheinselbständigkeitsproblematik hingewiesen worden ist, beispielsweise durch den Steuerberater, den bdfm oder einen Musiklehrer), so werden Nachzahlungen bis zu 30 Jahre fällig. Außerdem blühen der Musikschule empfindliche Geld- und sogar Gefängnisstrafen.

Aber auch der Lehrer kommt nicht ungeschoren davon:

  1. Auch ihn erwarten empfindliche Geldstrafen und Steuernachzahlungen, da auch dem Lehrer bewusst sein müsste, dass er scheinselbständig beschäftigt worden ist.
  2. Unter Umständen kann sogar ein Verbot der Selbständigkeit ausgesprochen werden, was dazu führt, dass der Lehrer an anderen Musikschulen nicht weiter als Freiberufler unterrichten kann.

Fazit

Viele Musiklehrer wissen gar nicht, dass sie in scheinselbständigen Arbeitsverhältnissen arbeiten. Manche Musikschulleiter hingegen wissen es, verdrängen es aber. Die Kriterien für Scheinselbständigkeit sind relativ klar und können von jedem Musikschullehrer und Musikschulleiter anhand des hier vorliegenden Artikels einfach überprüft werden. Wenn an Ihrer Musikschule Scheinselbständigkeit vorliegt, sollten Sie schnell handeln und Ihre Organisation umstrukturieren – sonst machen sich unter Umständen beide strafbar, Musikschulleiter und Lehrer.

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Michael Herrmann ist Musikschulleiter und geschäftsführender Gesellschafter der intakt Musikinstitut gemeinnützigen GmbH in Pfaffenhofen. Er studierte Jazz-Piano und unterrichtet Klavier und Gesang, ist Gründer und ehemaliger Herausgeber von musikschule intern und ist darüber hinaus als Musiker unterwegs.

6 Kommentare

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. Hallo und danke für den Artikel, dessen Aussagen ich größtenteils wichtig und richtig finde. Im letzten Absatz vor dem Fazit (“Aber auch der Lehrer kommt nicht ungeschoren davon…”) bin ich allerdings über zwei Aussagen gestolpert:
    1) Warum Steuernachzahlungen für die Lehrkraft? Ja gut, falls die Lehrkraft die Einnahmen gar nicht angegeben hat, dann schon. Aber wenigstens das sollte sie ja doch getan haben. Eine nennenswerte Veränderung der Steuerlast tritt mit Feststellung der Sozialversicherungspflicht aber doch nicht ein.
    2) Welche Behörde sollte ein Verbot von Selbständigkeit aussprechen können? Das ist mir neu. Oder ist damit die Möglichkeit einer Musikschulleitung gemeint, die (jetzt als Arbeitgeberin) Nebentätigkeits-Wünschen einer Lehrkraft die Zustimmung verweigern könnte? Auch eine solche Weigerung wäre aber angesichts der marktüblichen Gepflogenheiten doch wohl kaum haltbar, denn unzählige Musikpädagog*innen unterrichten ja überall in Deutschland an mehreren Musikschulen parallel, auch in großer räumlicher Nähe zu einander, sprich: Gegen eine solche Weigerung könnten Lehrkräfte wohl mit guten Chancen klagen.
    Viele Grüße
    Stefan Simon

    1. Lieber Herr Simon,

      vielen Dank für Ihre Nachfrage. Ein Verbot der selbstständigen Tätigkeit nach einer scheinselbstständigen Tätigkeit ist mir allerdings auch nicht bekannt. Ich werde diese Aussage überprüfen und gegebenenfalls nachbessern.

      Im Falle einer festgestellten Scheinselbstständigkeit werden beide – Auftraggeber und Auftragnehmer – zur Nachzahlung der Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung aufgefordert.

      Ausserdem muss die Lohnsteuer nachgezahlt werden sowie gegebenenfalls die Umsatzsteuer rückabgewickelt werden. Dies betrifft auch den Auftragnehmer.

      Mit freundlichen Grüßen
      Frank Korte

  2. Sehr geehrter Herr Herrmann, ich habe eine Frage zur möglichen Scheinselbständigkeit bei einem Musikinstitut mit Honorarverträge mit den Lehrkräften: Wenn ein Schüler kündigt und nicht mehr in den Unterricht kommt, zum Teil mehrere Monate bis zum Ende des Vertrages mit dem Musikinstitut. Hat der Lehrer Anspruch auf Fortzahlung des Honorars solange der Vertrag läuft? Wenn ja, unter welchen Umständen? Und weiter: wenn das Institut die Lücke durch einen neuen Schüler zu füllen anbietet, darf der Lehrer beanspruchen, doppelt bezaht zu werden oder gar den neuen Schüler abzulehnen, um in dieser bezahlten Lücke z.B. Kaffee zu trinken oder zu üben?
    Ich würde nach der sehr guten Zusammenfassung in Ihrem Artikel zu dem Schluss kommen, dass der Lehrer mehrere Optionen frei hat: 1 – die Lücke wieder durch zusammenschieben der anderen Schüler schließen ohne dass dies das Institut zustimmen muss 2 – er darf auch einen neuen Schüler ablehnen, weil er nicht weisungsgebunden ist. Er hat jedoch keinen Anspruch auf Weiterzahlung des Honorars, auch wenn es als monatlich 1/12 honoriert wird, sofern für der bislang insgesamt geleisteten Stunden kein Schaden für den Lehrer entsteht (was u.U. der Fall wäre z.B. wenn das Institut den August nicht honoriert und der entsprechende Stundensatz dadurch geringer wird). Wie ist es jedoch zu handhaben wenn z.b. der Schüler zum 31.08 kündigt und ab z.B. Juni nicht mehr in den Unterricht kommt? Bin gespannt auf Ihre Einschätzung dere rechtlichen Lage bzw der Gefahr, die dadurch entstehen könnte (oder nicht) in Bezug auf Scheinselbständigkeit, denn da wittere ich eine schwammige Glatteisgefahr…

    1. Lieber Herr Albert,
      grundsätzlich gilt, dass ein Unterrichtsvertrag zwischen Schule und Schüler:in getrennt von dem Honorarvertrag zwischen Schule und der soloselbständigen Lehrkraft zu betrachten ist. In der Regel sieht der Honorarvertrag die Vergütung einer erbrachten Leistung vor. Die Schule beauftragt die Lehrkraft mit der Unterrichtung ihrer Schüler:innen. Beauftragt die Schule die Lehrkraft verbindlich mit mehr Stunden, als sie in Anspruch nimmt, steht der Lehrkraft ein Ausfallhonorar zu. Die Ausgestaltung der Höhe des Ausfallhonorars sollte im Honorarvertrag geregelt sein.

      Bitte haben Sie Verständnis, dass wir an dieser Stelle keine rechtsverbindliche Aussagen treffen können. Für eine juristisch valide Einschätzung bitten wir Sie, das Gespräch mit einem Juristen zu suchen.

      Mit freundlichen Grüßen
      Frank Korte

  3. Lieber Hr Herrmann,
    Ich habe diese Artikel: „ Achtung Falle: Scheinselbständigkeit bei Musiklehrern“ von Ihnen gelesen.
    Ich bin ein Klavierlehrerin in Frankfurt ( habe gerade gekündigt, weil ich gemerkt habe dass hoch wahrscheinlich mit Scheinselbständigkeit der Chef seine Musik schule leitet.
    Ich bin mir nicht sicher was er alles tatsächlich fördern darf und was nicht. Ein kleines bsp, ist dass er will die Schülerbogen haben nach mein Kündigung für den nächsten Lehrer. Drauf stehen detailliert was ich jede Woche Unterrichte . Ich habe ihm gesagt dass er kann die Anwesenheitsliste haben und das letzt Lied was ich Unterrichtet habe bekommen. Antwort : „ Du verstehst vieles falsch. Die Schüler gehören zu die Musikschule und er darf diese Schülerbogen haben.

    ich habe eine Bitte an Ihnen. Wo kann ich mich wenden um sicher zu sein dass er diese Bogen nicht darf. Ich habe ihm klar gemacht dass er diese bogen bekommt wenn ich mir ganz sicher bin dass ich das machen darf

    Ganz liebe Grüße
    Marianna Krentz

    1. Liebe Frau Krentz,

      das Anliegen Ihres ehemaligen Auftraggebers kann ich dahingehend nachvollziehen, dass er für die Schüler:innen den Lehrerwechsel möglichst problemlos gestalten möchte. Für das Qualitätsmanagement einer Schule ist ein abgestimmtes Unterrichtsprogramm sinnvoll. Daher sollte ein informeller Austausch über Unterrichtsziele, -methoden und -erfolge nicht zwangsläufig auf eine Scheinselbstständigkeit hinweisen.

      Als Honorarkraft sind sie nicht weisungsgebunden und der Musikschulleitung in der Regel auch nicht Rapport verpflichtet. Eine nachträgliches Einfordern einer detaillierten Unterrichtsliste nach Beendigung des Dienstleistungsverhältnisses dürfte somit rechtlich nicht verpflichtend sein.

      Meiner Einschätzung nach spricht aber auch nichts gegen ein Übergabeprotokoll bei Beendigung der Zusammenarbeit. Es dient allen Beteiligten aus den eingangs genannten Gründen: den Schüler:innen, den Honorarkräften und der Musikschule. Es steht ihnen daher frei, diese Dienstleistung ihrem ehemaligen Auftraggeber anzubieten und in Rechnung zu stellen.

      Mit freundlichen Grüßen
      Frank korte

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