ein Kommentar von Frank Korte
Im Gegenteil es besagt ausdrücklich:
„Die sich an diesen Maßstäben orientierende Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit ist nicht abstrakt für bestimmte Berufs‑ und Tätigkeitsbilder vorzunehmen. Es ist daher möglich, dass ein und derselbe Beruf ‑ je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis ‑ entweder in Form der Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Abstrakte, einzelfallüberschreitende Aussagen im Hinblick auf bestimmte Berufs‑ oder Tätigkeitsbilder sind daher grundsätzlich nicht ‑ auch nicht im Sinne einer „Regel-Ausnahme‑Aussage“ ‑ möglich.“
Quelle B 12 R 3/20 R
Die Sozialgerichte sind an den „Abgrenzungskatalogen“ der Sozialversicherung bei der Gesamtwürdigung im Einzelfall nicht gebunden
Diese Aussage trifft ein aktuelles Urteil zum Sozialstatus von Kameraleuten des Bundessozialgerichts:
Der von den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung erstellte „Abgrenzungskatalog für die im Bereich Theater, Orchester, Rundfunk- und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehproduktionen tätigen Personen“ (Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialversiche-rung vom 5.7.2005 zum Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit; Versicherungs-, Beitrags- und Melderecht) enthält lediglich Beurteilungshilfen für die Praxis. Die Sozialgerichte sind daran bei der Gesamtwürdigung im Einzelfall nicht gebunden
(BSG Urteil vom 14.3.2018 – B 12 KR 3/17 R – SozR 4-2400 § 7 Nr 33 RdNr 14; BSG Urteil vom 20.3.2013 – B 12 R 13/10 R – SozR 4-2400 § 7 Nr 19 RdNr 20).
Quelle B 12 R 12/21 R
Beschäftigung von Honorarkräften an Musikschulen nicht mehr erlaubt! ?
Ob eine Honorkraft selbstständig oder scheinselbstständig ist, lässt sich final nur in einem Statusfeststellungsverfahren oder im Extremfall nach Jahren des Rechtstreits vor dem Bundessozialgericht klären.
Wer aber die Beschäftigung von Honorarkräften an Musikschulen als grundsätzlich unmöglich darstellt, kann dies nur aufgrund der Kenntnis der gelebten Arbeitsverhältnisse an seiner Musikschule tun oder zur Durchsetzung seines sozialpolitischen Ziels von 100 % Festanstellung.
Die aktuelle Gesetzeslage ist ein Problem für Soloselbstständige in Deutschland
Die Beschäftigung von Honorarkräften an Musikschulen ist sinnvoll und möglich. Aber die rechtssichere Beschäftigung von Honorarkräften ist äusserst problematisch und eingeschränkt.
Seit Jahren setzt sich die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (bagsv) für die Rechtssicherheit für Selbstständige und ihre Auftraggeber (in Bezug auf das Thema Scheinselbstständigkeit) ein. Ihr Ziel ist es, das Recht auf Selbstständigkeit für alle diejenigen zu stärken, die gerne selbstständig sind und es auch bleiben wollen.
Die Problematik rechtssicherer Honorartätigkeit von Honorarärzten, Kameraleuten und Musikern ist ähnlich. Sie leiden alle unter derselben Gesetzgebung.
Es gibt keine Lex Ausnahme Musikschule
Wer sich für eine selbstbestimmte Wahl des Arbeitsverhältnisses an Musikschulen einsetzt, der muss sich daher für die Verbesserung der Rechtssicherheit von Honorarkräften in allen Arbeitsbereichen einsetzen.
Bedingung hierfür ist ein klares Bekenntnis zur Freiberuflichkeit ohne den Hintergedanken, Freiberuflichkeit als Übergangslösung zur Festanstellung zu verstehen. Hier müssen sich die Vertreter der Soloselbstständigen im Musikbereich fragen lassen, ob sie dies bisher deutlich getan haben.
Die Erkenntnis, dass faire Honorare auch die Möglichkeit von Honorartätigkeiten erfordert, scheint hier erst sehr spät in den Fokus zu geraten. Dies ist um so verwunderlicher, da der größte Teil des Musikschulunterrichts von Soloselbstständigen getätigt wird und ein Großteil auch selbstständig arbeiten möchte.
Der Elefant im Raum
Qualität hat seinen Preis. Oder in den Worten des Arbeitsministers: Arbeit muss sich lohnen.
Ob sich Arbeit lohnt, hängt nicht von dem Arbeitsverhältnis ab. Es hängt von der Höhe der Honorare bzw. Löhne und den darauf zu entrichtenden Steuern, Renten- und Sozialversicherungsbeiträgen ab. Die zentrale Frage ist also: Was ist Musikunterricht wert?
Oder aus der Sicht des Arbeitsministeriums: Wie hoch muss ein Mindesthonorar an Musikschulen sein, damit Honorarkräfte nicht als prekär und somit als nicht unternehmerisch selbstbestimmt gelten?
Allerdings sollte die Verhandlung von Mindesthonoraren nicht einem Ministerium obliegen.
Fehlinterpretationen eines Einzelfallurteils verhindern sinnvolle Musikschulkonzepte
Die musikalischen und künstlerischen Impulse, die freiberufliche Musiker:innen als Honorarkräfte in die Lehre geben, sind vom hohen Wert und dürfen nicht durch eine Einschränkung der freien Wahl des Arbeitsverhältnisses bedroht werden.
Daher ist die bewusste oder unbewusste Falschaussage zum Herrenbergurteil und dessen Instrumentalisierung zur Umsetzung eines 100% Festanstellungskonzeptes für Musikschulen kurzsichtig und schädlich.
Musikschulen und ihre Lehrkräfte müssen einfach und rechtssicher entscheiden können in welchem Arbeitsverhältnis sie zusammenarbeiten möchten.
Dieser Beitrag hat 3 Kommentare
Leider wird der Aspekt der Arbeitslosenversicherung immer vergessen,für viele Honorarkräfte vielleicht nicht so wichtig, für mich war es wichtig, deshalb habe ich nach 12 Jahren Musikschultätigkeit mit Blockflöte und Oboe aufgegeben und bin Orchesterwart mit Festanstellung geworden
Sie haben es auf den Punkt gebracht. Leider war es mir nicht möglich, mit dem Musikschulleiter dieses Thema auf kollegialer Ebene zu besprechen. Es wurde nicht nur keine Wahl gelassen, ob ich mit einem halbvollen Nachmittag weiterhin auf Honorarbasis arbeiten möchte, es wurde sogar damit gedroht, bei Nichtunterschreiben des neuen Hausvertrags von einem außerordentlichen zweiwöchigen Kündigungsrecht ( des Jahresvertrags auf Honorarbasis ) nach juristischer Prüfung Gebrauch zu machen. Ich und einige andere Honorlehrkräfte haben es drauf ankommen lassen und nun doch bis zum Sommer noch arbeiten können. Danach werden wir, die teilweise selbstständig und in anderen Beschäftigungsverhältnissen sind, der Musikschule den Rücken kehren.
Sehr guter Text, danke. Endlich ein paar klarstellende und vernünftige Gedanken. Ich bin seit Jahrzehnten freiberuflich und will es auch bleiben, obwohl ich viel und gerne unterrichte.