Christian Seibert (Beirat/ Politik) im Interview zu den Forderungen des bdfm
Der Bundesverband der Freien Musikschulen setzt sich seit Jahren für eine Veränderung in der Musikschul-Förderungspolitik ein. Immer wieder weist er auf die veränderte Musikschullandschaft hin, in der sich neben öffentlichen Musikschulen zahlreiche freie Einrichtungen etabliert und bewährt haben. Doch noch immer profitieren zum größten Teil ausschließlich kommunale Musikschulen von öffentlichen Geldern.
Der Verband hat sich mit einem konkreten Forderungskatalog an die kommende Bundesregierung gewandt:
- Die Kosten außerschulischer kultureller Bildung sollen insbesondere für Familien mit Kindern steuerlich absetzbar sein.
- Gemeinnützige Musikschulen sollen unabhängig von ihrer Trägerschaft (kommunal oder nicht kommunal) gleichberechtigt gefördert werden.
- Die Inanspruchnahme von qualifiziertem Musikunterricht bei privaten Musikschulen oder selbständigen Musiklehrkräften soll gefördert werden. Dazu soll ein Fördersystem entwickelt werden, das den einzelnen Schüler direkt fördert.
MSI hat mit Christian Seibert (Beirat/ Politik im bdfm e.V.) über die neuen Forderungen an die Politik und mögliche Ideen zur Umsetzung gesprochen.
msi: Neu im Forderungskatalog ist, dass gemeinnützige Musikschulen den kommunalen hinsichtlich der Förderung gleichgestellt werden sollen. Was soll mit den anderen freien Musikschulen geschehen und der damit verbundenen ursprünglichen Forderung der Pro-Kopf-Förderung, also weg von der institutionellen Förderung hin zur individuellen Förderung?
Christian Seibert: Richtig ist, dass die Position einer kompletten Umstellung auf eine Pro-Kopf-Förderung aufgegeben wurde, da sie eine Privatisierung des Musikschulwesen bedeuten bzw. sie einleiten würde. Wir bekennen uns mit unseren aktuellen Forderungen zur öffentlichen Kulturförderung und sehen im Sinne des Qualitätsgedanken ihre Notwendigkeit. Gleichzeitig möchten wir aber, dass sich die Förderung verbreitert und flexibilisiert.
Grundsätzlich sollten öffentliche Mittel in keinem Fall dafür verwendet werden, Gebühren künstlich gering halten. Dies erschwert den Wettbewerb und unterstützt auch Schüler finanziell, die das eigentlich gar nicht benötigen.
Es wird meiner Meinung nach auch zu selten diskutiert, ob eine solche Verwendung womöglich in Zusammenhang mit der geringen Bezahlung von Fachpersonal steht.
Die Gedanken der Gleichstellung in Bezug auf die Institution Musikschule als Fächermusikschule begründen sich zunächst aus einem inhaltlichen Ansatz heraus, der dann in der Folge einer Umsetzung finanzielle Mittel benötigt.
Dazu ein Beispiel: die Stärke einer Musikschule besteht nicht ausschließlich darin, Instrumental- oder Gesangsunterricht anzubieten, sondern darüber hinaus, dass sie in der Lage ist, Angebote im Bereich z.B. der Ensemble-, Band oder Orchesterarbeit zu ermöglichen (siehe auch Fußnote 1). Dies zu finanzieren, kann nicht alleinige Aufgabe der Eltern sein oder auf der Selbstausbeutung der Mitarbeiter beruhen. Hier braucht ein relevanter Bereich der Musikschularbeit eine verlässliche Förderung. Wenn ein Leiter mit diesem Anspruch eine Fächermusikschule in privater, gemeinnütziger Trägerschaft betreibt, darf er mit dieser einer kommunalen Schule gegenüber nicht schlechter gestellt werden. (siehe Fußnote 2). Sicher brauchen wir hier verlässliche Förderkriterien, konkret in Form von Musikschulgesetzen, die es leider noch nicht in allen Bundesländern gibt.
Um kulturelle Teilhabe zu ermöglichen, sollte aber ein Sozialausgleich über eine Pro- Kopf -Forderung möglich sein. Und zwar für alle sozial benachteiligten Schüler, die qualifizierten Musikunterricht, z.B. an spezialisierten Musikschulen oder bei Privatlehrern in Anspruch nehmen. Auch die steuerliche Absetzbarkeit von Gebühren für Familien mit begrenzten Einkommen wäre ein gangbarer Weg, um allen Schülern unabhängig von ihrer Herkunft den Weg in eine musikalische Ausbildung zu ermöglichen.
msi: Wie stellen Sie sich die konkrete Umsetzung dieser Forderungen vor?
Christian Seibert: Zunächst einmal sind es politische Forderungen. Wir möchten, dass die Politik sich mit unseren Forderungen auseinandersetzt und ihnen dann ein juristisches Fundament gibt. Hier ist eine kontinuierliche politische Lobbyarbeit notwendig. Diese darf nicht erst beginnen, wenn mal wieder die Themen Scheinselbstständigkeit oder Umsatzsteuer auf dem Tisch liegen.
In den Gesprächen zu den Anforderungen an Musikschulen für die Befreiung von Umsatzsteuer in Brandenburg, an denen ich in direkten Gesprächen auf höchster Ebene beteiligt war, habe ich gemerkt, was jahrelang fehlende Lobbyarbeit für die eigenen Interessen im Ergebnis bedeutet. Der Verband der Musik- und Kunstschulen in Brandenburg (VdMK) hat es offensichtlich geschafft, allen privaten Schulen das Stigma der reinen Gewinnorientiertheit und des fehlenden Qualitätsbewusstseins zu verpassen. Bevor hier Forderungen gestellt werden konnten, musste man erst einmal Aufklärungsarbeit geleistet werden.
Wir sollten bezüglich unserer Forderungen auch immer mit den anderen Musikverbänden im Gespräch bleiben. Wenn wir in einer Art „feindlichen Freundschaft“ zu einem gemeinsamen Positionspapier kommen könnten, würde ich das z.B. für eine gute Sache halten.
Sie fordern die Inanspruchnahme qualifizierten Musikunterrichts unabhängig der Institution. Wie wollen Sie in der Zukunft die Qualität an Ihren Mitgliedsschulen prüfen? Welches System streben Sie ganz allgemein an?
Informationen zum Musikschulzertifikat und der Lehrbefähigung findet man auf der Internetseite des Verbandes. Ergänzend dazu sehe ich die dringende Notwendigkeit, in Deutschland mehr Angebote für Nachqualifizierungen und Weiterbildung für Lehrkräfte zu schaffen. Sich ein Leben lang weiterzubilden wird in der Arbeitswelt von morgen die Regel sein. Leider verhaften da viele Kulturfunktionäre noch zu sehr in der Vergangenheit und betreiben eher Besitzstandswahrung, als notwendige Entwicklungen anzuschieben. Der bdfm hat hier lieber die Zukunft im Blick.
Herr Seibert, vielen Dank für das Gespräch.
1. siehe auch das bundesweite Verzeichnis des “Immateriellen Kulturerbes” von 2016 durch die Unesco-Kommission.
2. Förderrichtlinien stützen sich z.Z. auf die EU Verordnung 651 vom 17. Juni 2014. Diese sieht eine spezielle Trägerschaft als Förder-Voraussetzung nicht vor. Vielmehr wird darauf abgehoben, dass keine kommerzielle gewinnorientierte Tätigkeit stattfindet. Dies kann durch einen kommunalen Träger dargestellt werden, aber auch durch andere Nachweise, wie z.B. die Gemeinnützigkeit von freien Musikschulen. Die ausschließliche Förderung kommunaler Musikschulen diskriminiert Musikschulen in freier Trägerschaft.
Zur Pressemitteilung “Freie Musikschulen erheben Forderungen an die künftigen Koalitionsparteien”
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