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Kindeswohlgefährdung in Musikschulen – Prävention und Hilfe bei Gefährdungsfällen

Warum Kinderschutz

Alle, die Musikschulen leiten oder an Musikschulen arbeiten, haben vermutlich einen komplexen Alltag mit vielen Herausforderungen und Anforderungen. Warum braucht es dann nun auch noch zusätzliche Aufmerksamkeit auf das Thema Kinderschutz in Musikschulen? Natürlich möchte niemand für sich oder seine Musikschule eine negative Berichterstattung und Abmeldewelle wie sie die katholische Kirche aufgrund von Missbrauchsskandalen in der jüngsten Vergangenheit hatte. Der ein oder andere mag jedoch auch denken: „Aber eine Musikschule ist doch etwas ganz anderes und es kann doch jeder sehen, dass bei uns an der Musikschule und bei mir selber die Themen Übergriffe, sexueller Missbrauch, Grenzverletzungen keine Rolle spielen.“

Verantwortung

Die eine Sache ist natürlich das, was man persönlich über sich selber denkt. Gleichzeitig ist es so, dass Erwachsene im allgemeinen und Pädagogen sowie Musikschulleiter im speziellen über sich selbst hinaus auch noch Verantwortung für das System haben in dem sie arbeiten: Für Mitarbeiter*innen, für andere im Unternehmen tätige Personen. Vor allem aber – und dieser Gedanke hat in den letzten Absätzen noch gar keine große Rolle gespielt – vor allem haben Institutionen und Erwachsene eine besondere Verantwortung für Kinder!

Es muss also ein Ziel von Musikschulen sein, die eigenen Strukturen so auszurichten, dass sie Kindern und Jugendlichen eine sichere Umgebung bieten, in der sie unbesorgt lernen können!

Kinderschutzkonzept

Mit einem Kinderschutzkonzept kann man genau dafür die bestmöglichen Voraussetzungen schaffen. Der Blick wird damit auf die gerichtet, die den Schutz am meisten benötigen. Die Arbeit mit einem objektiven Schutzkonzept hilft zudem eigene blinde Flecken anzuschauen und eingefahrene Verhaltensweisen sowie alte Denkmuster zu überprüfen. Der Prozess, die eigene Rollen zu reflektieren und sich mit vorhandenen Machtstrukturen zu beschäftigen ist nicht immer angenehm aber hilft bei der Weiterentwicklung und schützt vor Fehlern.

Wichtig zu sagen ist, dass es nicht Ziel eines Kinderschutzkonzeptes ist, in Institutionen Misstrauen zu säen, sondern es soll viel mehr Mut machen, sich selbst immer wieder zu hinterfragen. Zudem ist alleine die Thematisierung und Kommunikation nach außen und innen von dem Thema ein sehr wichtiger Baustein der Prävention. Eine Institution, die ein Schutzkonzept kommuniziert, Verhaltensregeln benennt und weiß, was sie in Verdachtsfällen tun muss, schreckt Täter ab. Alle anderen lädt es zur Kommunikation ein, es macht Standards messbar und macht es möglich, dass jeder darauf Bezug nehmen kann.

Mut zum ersten Schritt

Jeder und jede sollte sich also mit dem Thema Kinderschutz beschäftigen. Vor allem Menschen, die Verantwortung für Kinder tragen. Jeder erste Schritt ist ein guter Schritt in die richtige Richtung und niemand muss die Schritte alleine machen. Der bdfm hat kürzlich für Mitglieder Material für die Erarbeitung eines eigenen Kinderschutzkonzeptes an Musikschulen bereitgestellt. Ein erster Schritt könnte hierbei die Bearbeitung der Checkliste mit Risikoanalyse, Positionierung und Präventionsmaßnahmen sein. Ein sehr guter erster Schritt ist auch die Kontaktaufnahme zu einer Beratungsstelle vor Ort.

Professionelle Hilfe

Regionalen Einrichtungen, bzw. Beratungsstellen, die sich mit dem Thema Kinderschutz auskennen, sind sehr gute Ansprechpartner. Lokal ist es oft sehr unterschiedlich, welche Einrichtungen und Möglichkeiten es hier gibt. Hier lohnt sich eine eigene Recherche und Nachfrage.

Der Kontakt zu einer Beratungsstelle ist wichtig, da das Thema Kinderschutz komplex ist. Es wird vor allem noch schwieriger, wenn wirklich mal ein Übergriff/Missbrauch intern passiert oder auch außerhalb der Institution vermutet wird. Dann werden schnell rechtliche und psychologische Themen relevant, in denen die meisten von uns nicht geschult sind. Die Kontaktaufnahme lohnt sich aber nicht nur im akuten Fall, sondern sollte schon im Vorfeld passieren. Denn diese Stellen beraten, helfen bei Erstellung eines Kinderschutzkonzeptes und bieten teilweise auch kostenlose Workshops und Fortbildungen an. Mit diesen Beratungsstellen können die ersten Schritte zu einem Kinderschutz in Begleitung gemacht werden.

Besonderheiten freie Musikschulen

Freie Musikschulen gibt es von sehr klein bis ganz groß. Oft arbeiten sie ohne vorgegebene Strukturen, vielleicht gibt es kein strukturiertes Qualitätsmanagement oder von Dienstherren, Trägern etc. kommunizierte Vorgaben. Der Nachteil an der dadurch entstehenden Freiheit ist, dass manche Themen nicht von außen auf die Tagesordnung kommen. Man widmet sich im komplexen Alltag immer nur dem nächsten dringenden Thema und schreckt vielleicht vor Unbekanntem und Themen die man sich selber erarbeiten muss zurück. Der Vorteil von freien Musikschulen kann jedoch auch dieser sein: Sie können bei wichtigen Themen auch mutig, mit frischem Blick voran gehen und haben manchmal auch weniger bürokratische Hürden vor sich. Gerade das kann auch ein Qualitäts- und Alleinstellungsmerkmal sein und letztendlich denen dienen, die in freien Musikschulen lernen und arbeiten.

Checkliste zur praktischen Umsetzung Kinderschutzkonzept

1. Risikoanalyse:

  • Erstellung einer Risikoanalyse für die eigene Einrichtung

2. Positionierung

  • Positionierung für Einrichtung erstellen
    (Verhaltensampel / Verhaltenskodex erstellen, Aufnahme der Verpflichtung ins Leitbild)
  • Selbstverpflichtung für Personal erstellen
  • Kinderschutzkonzept / Selbstverpflichtung /Leitbild der Einrichtung kommunizieren

3. Prävention

Allgemein:

  • Kontaktaufnahme zu einer Beratungsstelle
  • Benennung und Kommunikation von Ansprechpartner*innen in der Musikschule
  • Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen für Personal (Umsetzung frei zu wählen durch Musikschule. Bsp.: Kontakt mit Beratungsstelle aufnehmen und kostenfreie Schulung Besuch Psychologe/in in Anspruch nehmen)
  • Konzept für Umgang mit Verdachtsfall

Personal:

  • Thema aufnehmen in Bewerbungs- und Personalgespräche
  • Selbstverpflichtung ist zu unterschreiben von Lehrkräften
  • Verhaltensampel für Einrichtung besprechen / aushändigen
  • Führungszeugnisse verpflichtend abfragen

Checkliste erarbeitet von:
Katharina O’Connor (123musik Lübeck); Nicola Hochkeppel (tomatenklang gGmbH Berlin); Bodo Wolff (Musik Akademie Obergrafschaft)

Wie finde ich eine Beratungsstelle vor Ort?

Hilfetelefone und Onlineberatung bundesweit, kostenfrei und anonym

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Bodo Wolff ist Musiker, Musiktherapeut und Instrumentalpädagoge. Er ist Gründer der Musik Akademie in Schüttorf und seit 2008 angestellt als Leiter (mit Prokura) bei der Musik Akademie Meyersick gGmbH. Er ist verantwortlich für die Musik Akademie Obergrafschaft, Musik Akademie Greven und die Musik Akademie Henneberger.

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