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Zwischen Anspruch und Abwertung – Die Bedeutung der MiKADO-Musik-Studie für Musikschulen

Die gestern veröffentlichte MiKADO-Musik-Studie zeigt klar: Der künstlerisch-pädagogische Bereich steckt in einer Nachwuchskrise. Bis 2035 gehen etwa 14.700 Musikschullehrkräfte in Rente, während nur rund 4.000 ausgebildete Absolventen nachrücken. Ohne rasche und grundlegende Verbesserungen droht ein dramatischer Verlust musikalischer Bildungsangebote in Deutschland.

Für Musikschulleitungen ist die Studie ein Warnsignal und eine Orientierungshilfe, um sich auf die Zukunft vorzubereiten.

Ein Berufsbild zwischen Idealismus und Prekarität

Der Nachwuchsmangel resultiert aus strukturellen Schwächen und kulturellen Abwertungen. Viele junge Menschen finden den Beruf finanziell unattraktiv: Die Bezahlung ist oft unzureichend, Verträge unsicher, und die Arbeitszeiten belastend. Der Beruf stiftet Sinn, steht aber unter dem Eindruck prekärer Verhältnisse, da viele Musikschulen auf das freiwillige Mehrengagement der Lehrkräfte angewiesen sind.

Bessere Strukturen allein lösen das Problem nicht. Eine gesellschaftliche und hochschulinterne Hierarchisierung prägt ebenso: Künstlerische Exzellenz gilt oft als wertvoller als pädagogische Professionalität. Das künstlerisch-pädagogische Studium wird vielerorts als „Plan B“ missverstanden – ein Weg für jene, die den Sprung ins rein künstlerische Studium nicht schaffen. Diese Abwertung beeinflusst Selbstbild, Studienmotivation und Berufszufriedenheit.

Viele Jugendliche haben zudem wenig Vorstellung von der Vielseitigkeit und dem Anspruch der Arbeit an Musikschulen. Nicht einmal alle Schüler wissen, dass ihre Lehrkräfte professionelle Musikpädagogen sind. Die Ausbildung spiegelt oft nicht die musikalische Realität wider: Während Pop, Bandkultur und digitale Produktionsweisen zum Alltag gehören, orientieren sich viele Studiengänge an klassischen Profilen.

Was bedeutet das für Musikschulen?

Die MiKADO-Studie richtet Empfehlungen an Politik, Hochschulen und Musikschulen. Besonders bei der Nachwuchsgewinnung spielen Musikschulen eine Schlüsselrolle. Die Studienvorbereitung ist entscheidend: Hier entscheidet sich, ob junge Musiker das Berufsfeld wahrnehmen und als realistische Option sehen.

Musikschulen sollten Einblicke in musikpädagogische Arbeitsfelder bieten. Hospitationen, Mitmachprojekte oder Mentoring zwischen Lehrkräften und fortgeschrittenen Schülern können entscheidende Impulse geben. Eine zeitgemäße, sichtbare studienvorbereitende Ausbildung wirkt nicht nur als Talentförderung, sondern auch als Orientierungshilfe. Wichtig ist, dass Kolleginnen ermutigt werden, ihre Rolle als Mentoren aktiv auszufüllen. Lehrkräfte prägen nicht nur musikalische Laufbahnen, sondern auch berufliche Entscheidungen.

Auch im Studium besteht Handlungsbedarf. Musikschulleitungen sollten Kooperationen mit Hochschulen stärken, Austauschformate anbieten und Studierenden frühzeitig Unterrichtserfahrungen ermöglichen. Je eher Studierende mit der Musikschulpraxis in Berührung kommen, desto eher entwickeln sie eine positive Verbindung zum Beruf. Musikschulen sollten Hochschulen ermutigen, sich inhaltlich zu öffnen: Die musikalische Vielfalt der Gegenwart muss sich in den Curricula widerspiegeln. Die Anerkennung, dass pädagogische Professionalität und künstlerische Exzellenz gleichwertige Qualitäten sind, kann nur gemeinsam erreicht werden.

In der Berufspraxis gilt es, den Arbeitsplatz Musikschule attraktiv zu gestalten, damit sich Nachwuchskräfte langfristig binden. Dazu gehören realistische Arbeitsumfänge, verlässliche Verträge und ein Klima, das persönliches Engagement wertschätzt, ohne es zur Pflicht zu machen. Eine stärkere Teamkultur – etwa durch kollegialen Austausch oder Team-Teaching – kann ebenso beitragen wie Fortbildungs- und Coachingangebote, die Selbstbewusstsein fördern und Belastungen abfedern.

Jetzt handeln – gemeinsam

Die MiKADO-Studie zeigt, dass der Nachwuchsmangel kein Zufall ist, sondern Ausdruck eines Systems, das künstlerisch-pädagogische Berufe benachteiligt hat. Musikschulleitungen müssen diese Erkenntnisse in konkrete Verbesserungen umsetzen – im eigenen Haus, in der Zusammenarbeit mit Hochschulen und im Dialog mit kommunalen Trägern.

Wer heute mehr Sichtbarkeit schafft, neue Zugänge für Jugendliche öffnet, attraktive Arbeitsbedingungen betont und das berufliche Selbstverständnis stärkt, legt den Grundstein für die Musikschule von morgen. Die MiKADO-Studie liefert die Diagnose und die notwendigen Handlungsimpulse. Jetzt gilt es, diese Chancen entschlossen zu nutzen.

Quelle

Deutscher Musikrat „MiKADO-Musik“-Studie belegt existentiellen Nachwuchsmangel an Musikschulen
https://www.musikrat.de/media/aktuelles/meldung/500000-schuelerinnen-verlieren-ihren-musikschulunterricht

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Frank Korte studierte visuelle Kommunikation und Fotografie. Er arbeitete für Agenturen und diverse Kunden im Bereich Multimedia. Seit Herbst 2015 leitet er die Bundesgeschäftsstelle des bdfm. 2023 übernahm er die Leitung der musikschule intern.

2 Kommentare

Comments (2)

  1. Gehe ich recht in der Annahme, dass die MiKado-Studie – und damit auch der Artikel – ausschließlich die Situation an kommunalen Musikschulen beschreibt? Viele der Dozenten an privaten Musikschulen haben gar nicht im klassischen Sinne Musikpädagogik studiert, kommen oft aus dem Live-Betrieb (Rock, Pop, Jazz etc.) und arbeiten vielleicht zwei oder drei Tage die Woche an Musikschulen (oder auch nur einen!). Einen Nachwuchsmangel kann ich mir hier ehrlich gesagt nicht vorstellen. Ich finde es ein bisschen schade, dass der Artikel hier nicht differenziert.

    1. Das stimmt, Herr Weidt, die Daten stammen von VDM-Schulen. Darauf hätte ich in meinem Artikel hinweisen müssen.

      Allerdings ist es nicht so, dass an freien Musikschulen ausschließlich Quereinsteiger aus der Pop/Rock-Praxis unterrichten. Das Gros sind auch hier studierte Musiker von den Musikhochschulen, darunter auch Musikpädagogen. Aber das ist nicht entscheidend. Der Altersdurchschnitt ist bei allen Gruppen gleich, auch bei den Quereinsteigern. Der Bedarf an Nachwuchs wird daher auch bei den freien, wie bei den kommunalen, Musikschulen zunehmen.

      Musikschulen haben jetzt schon ein Problem mit dem Fachkräftemangel. Es ist absehbar, dass dieses Problem bedrohlich zunimmt.

      Dem müssen sich die Musikschulen bewusst werden. Wie begegnet man dem Fachkräftemangel?

      – Mehr Gruppenunterricht?
      – Höhere Preise für Einzelunterricht?
      – Mehr Quereinsteiger?
      – Höhere Honorare?
      – Mehr Festanstellung?
      – Inhouse Ausbildung von Fachkräften?
      – Optimierung der Eigenwerbung als starker Arbeitgeber?
      – Positiv besetzte Kampagnen der Musikschulen, die sie als zukunftsfähiges Lern- und Arbeitsumfeld darstellen?

      Der Musikunterricht, die Musikschulen und der Marktplatz Musikunterricht (egal ob kommunal oder frei) entwickelt sich weiter.

      Wenn man den Beruf des Unterrichtens erhalten möchte, geht dies nur mit einem Qualitätsversprechen und dessen Einhaltung.

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