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Eine Musikschule mit besonderem Konzept

Die Freie Jugendorchesterschule Berlin: Gemeinsam musizieren – von Anfang an

Samstagmorgen um halb zehn: im großen fensterlosen, aber hellen Raum stehen die Stühle bereit. Nach und nach werden sie von kleinen Musikerinnen und Musikern besetzt, die ihre Instrumente auspacken und vorbereiten. Die Mädchen und Jungen im Alter zwischen 6 und 10 Jahren gehören zum Nachwuchsorchester der Freien Jugendorchesterschule in Berlin-Friedrichshain. Vorn steht der Dirigent Jobst Liebrecht, der die Kinder auffordert, die Instrumente aufeinander abzustimmen. Die kleinen Ohren öffnen sich, hören sich gegenseitig zu, während ein anderer einen Ton spielt.

Dirigent Jobst Liebrecht bei den Proben der Freien Jugendorchesterschule Berlin

Gründerin und Leiterin der Freien Jugendorchesterschule Berlin ist Martina Feldmann. Sie unterstützt an diesem Morgen die kleinen Holzbläser im Orchester, zeigt ihnen die Noten, klopft den Rhythmus mit, motiviert.

Sie selbst hat Blockflöte und Klarinette studiert. Schon als Kind, sagt sie, war sie nicht zu bremsen. In Mecklenburg aufgewachsen, hatte sie von Anfang an gute Instrumentallehrer und insgesamt ein inspirierendes musikalisches Umfeld. Als Kind hat sie zwar in keinem Orchester, dafür aber in verschiedenen Ensembles und einer Band mitgespielt. Mit ihnen verbrachte sie einen großen Teil ihrer Freizeit und absolvierte zahlreiche Auftritte.

Proben der Freien Jugendorchesterschule Berlin

Die kleinen Musikerinnen und Musiker im Nachwuchsorchester treten von Anfang an regelmäßig vor Publikum auf. Das Stück, das sie an diesem Morgen proben, heißt „Abenteuer“. Ein Abenteuer ist es, sich Ton für Ton zu erarbeiten, gemeinsame Klänge entstehen und das Werk wachsen und gedeihen zu lassen. Noch zappeln die Beine hin und her, noch suchen einige Musizierende die Orientierung. Jobst Liebrecht versteht es, die Aufmerksamkeit der ganz Kleinen zu gewinnen. Er lässt die schwierigen Stellen immer und immer wiederholen, er hilft und lobt.

Nur so, mit dieser freundlich-bestimmten Ansage, sagt Martina Feldmann, kann die Orchesterarbeit funktionieren. Sie ist froh über die Zusammenarbeit mit Liebrecht, der selbst auch Komponist ist und Werke für die Orchester ihrer Musikschule schreibt.

Das Miteinander war für das Kind und die Jugendliche Martina Feldmann selbst sehr wichtig und prägend. Diese positiven Erfahrungen gibt sie direkt an ihre Schülerinnen und Schüler weiter. Jedes Jahr fährt sie mit ihnen in ein Probelager, organisiert spannende Konzerte und immer wieder außergewöhnliche Musikprojekte. So wie die Aufführung des Jugendmusicals „Takeover“ vom mittlerweile über 90-jährigen deutsch-australischen Komponisten George Dreyfus im U-3-Bahnhof des Potsdamer Platzes. Hierfür konnte Martina Feldmann professionelle SängerInnen und einen Schauspielstudenten für die Regie engagieren. Hierfür wurde extra ein Kinderchor gegründet, der von einer erfahrenen Stimmbildnerin gecoacht wurde. Und das Beste war, dass der Komponist selbst anwesend war.

Jedes Kind, egal wie alt, egal wie lange es schon ein Instrument lernt, kann mitspielen. Wenn es gerade erst mit dem Instrumentalunterricht begonnen hat, bekommt es zum Beispiel eine Kaffeebüchse oder ein kleines Klangholz in die Hand und schlägt den Rhythmus oder produziert wichtige Geräusche.
So wie an diesem Samstagmorgen, an dem zwei kleine Mädchen aufmerksam und stolz dem Dirigenten Jobst Liebrecht folgen.

Nach einer Stunde ist die Probe für die Kleinen zu Ende. Während sie ihre Instrumente und Noten zusammen packen, kommen die Älteren in den Raum. Kinder und Jugendliche, die schon einige Jahre Erfahrung auf ihrem Instrument haben, spielen in dem großen Orchester mit. Der Klang wird nun voller, die Werke anspruchsvoller. Konzentriert wird gearbeitet, präzise, kraftvoll, sensibel. Vor allem Werke aus dem 21. Jahrhundert stehen an diesem Samstag auf dem Programm. Töne und Klänge, aus denen sie ihre ganze Energie schöpfen. Mit jeder Wiederholung wachsen die jungen Musikerinnen und Musiker über sich hinaus.

Vielleicht sind einige von ihnen schon in Gedanken in Korea, wohin ihre Reise im Herbst geht. Dort bereitet sich ihr Partner-Orchester auf dieselben Stücke vor, die dann vor Ort gemeinsam geprobt und aufgeführt werden sollen. Immer wieder kommen die beiden Orchester zusammen. Mal hier in Deutschland, mal dort in Korea. Ein nicht nur musikalischer Austausch, erzählt Martina Feldmann. Sie erinnert sich an den Tag, an dem beide Orchester in der „De-Militarisierten Zone“ in Korea, vor Stacheldraht und dem größten Minenfeld der Erde gespielt haben. Oder an den Besuch in einem Kloster und dem gemeinsamen Gottesdienst mit den Mönchen. Noch heute bekommt sie bei diesen Erinnerungen Gänsehaut.

Und so wachsen die jungen Menschen nicht nur musikalisch heran, sondern auch über sich hinaus. Sie bekommen Zutrauen zu sich selbst, bilden früh intensive Freundschaften, lernen das Miteinander und haben viel Spaß dabei.

Die Idee und das Konzept von Martina Feldmanns Freier Jugendorchesterschule Berlin geht damit voll auf.

Martina Feldmann, Leiterin der Freien Jugendorchesterschule Berlin

Alle Fotos (C) Susann Krieger

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Susann Krieger studierte Korrepetiton/ Musiktheater (HfM Dresden) und Rundfunk-Musikjournalismus (HfM Karlsruhe). Sie arbeitet als freie Autorin für verschiedene ARD-Rundfunkanstalten (u.a. WDR, BR, MDR, SWR) und unterrichtet Klavier. 2017 erhielt sie den Deutschen Radiopreis für die beste Reportage und wurde für den Prix Europa nominiert.

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