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Mario Müller

100 % Festanstellung von Lehrkräften an einer freien Musikschule

Ist „Marios Musikschule“ in Bonn ein Modell der Zukunft?

Während in den einzelnen Bundesländern Verbände ihre Ziele für eine prozentuale Festanstellung ihrer Lehrkräfte immer wieder neu verhandeln, während die Debatten um Scheinselbständigkeit kein Ende nehmen, während neue Empfehlungen für Honorarverträge freier MitarbeiterInnen in immer kürzeren Abständen ausgegeben werden, hat er es getan: Mario Müller, Musikschulleiter der Bonner Musikschule „Marios Musikschule“ hat alle seine freien Lehrkräfte fest angestellt. Die Musikschule ist seit vier Jahren als gemeinnützige gGmbH firmiert und erhält keine Zuschüsse aus öffentlichen Töpfen.

Ob und wie das Modell funktioniert, darüber hat msi mit Mario Müller gesprochen.

msi: Herr Müller, seit wann haben Sie Ihre freien Honorarkräfte fest angestellt?

Mario Müller: Seit dem 1. August 2017.

msi: Wie haben Sie sie überzeugt?

Mario Müller: Wir haben mit jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin einzelne Gespräche geführt und ihnen zunächst die generelle Situation der freien Musiklehrkräfte an Musikschulen dargelegt. Ich bin der Überzeugung, dass die Lehrenden in den Verwaltungsablauf einer Schule mehr einbezogen werden sollten, um die Qualität zu verbessern und langfristig zu sichern. Ein weiteres wichtiges Überzeugungsargument ist natürlich die soziale Absicherung. Bei einer Festanstellung werden die Kranken- , Renten- und Arbeitslosenversicherung über den Arbeitgeber geregelt.

Wie groß ist Ihre Schule?

Meine Schule hat derzeit etwa 1100 Schüler und 23 Angestellte Lehrer und Lehrerinnen.

Die meisten freien Musikschulen sind kleiner als Ihre. Denken Sie, dass sich Ihr Modell der Festanstellung auch an kleinen Schulen mit etwa 400 SchülerInnen rechnet?

Das kann sich auch sehr gut in kleinen Schulen rechnen. Wichtig ist, wie sich die Schule organisiert und Ihre Lehrkräfte einsetzt.

Was sind die Vorteile von festangestellten Lehrkräften?

Der größte Vorteil ist, dass sich die Dozenten und Dozentinnen stärker an die Schule gebunden fühlen. Das hat sich bei uns nach kurzer Zeit schon herausgestellt. Ein weiterer Vorteil ist, dass man in einer Schule mit weisungsgebundenen Lehrkräften nun auch Lehrpläne und ein Qualitätsmanagement entwickeln kann, was der Schule nach außen ein einheitlicheres Bild gibt.

Selbstverständlich übernimmt man als Arbeitgeber nun mehr Verantwortung, was jedoch in meinen Augen auch selbstverständlich sein sollte.

Was sind die Nachteile?

Für mich als Arbeitgeber bedeutet die Festanstellung von Lehrkräften natürlich ein höheres finanzielles Risiko, da diese stärker an das Unternehmen gebunden sind. Kündigungen sind zum Beispiel nicht so leicht auszusprechen wie bei freien Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.

Wie gehen Sie mit Krankheitsfällen von Lehrenden um?

Bei Krankheit übernimmt die Krankenkasse die Kosten bis zu 80%. So kann ich gut mit Vertretungslehrkräften arbeiten und diese im Krankheitsfall von einzelnen FachlehrerInnen einsetzen. Das kommt auch den Schülerinnen und Schülern zugute, die kaum noch Unterrichtsausfälle bzw.Verlegungen des Unterrichts hinnehmen müssen. Eine Kontinuität des Unterrichts ist so gewährleistet.

Ist die Bezahlung Ihrer Lehrkräfte vergleichbar mit den Honorarzahlungen vorher?

Ein Honorar muss immer höher sein, als der Stundenlohn eines Angestellten, da der freie Mitarbeiter/ die freie Mitarbeiterin für die Altersvorsorge und sämtliche Risiken (Krankheit etc.) selber aufkommen muss. Bei Angestellten ist das anders. Hier übernehme ich als Arbeitgeber mehr Verantwortung und die anfallenden Kosten. Bei meinem Modell ist jedoch der Lohn für die angestellten Lehrkräfte – nach Abzug der Kosten – vergleichbar mit dem vorher gezahlten Honorar auf freier Basis.

Viele MusikschulleiterInnen an kleineren Schulen beklagen und fürchten die hohen Sozialversicherungskosten etc., die im Falle einer Festanstellung anfallen. Was antworten Sie ihnen?

Eine Musikschule trägt bisher ca. 5 % Sozialabgaben an die KSK, gerechnet vom Lehrerhonorar. Bei einem Angestellten betragen die Sozialabgaben je nach Beschäftigungsverhältnis zwischen 15,9 und 23 %. Da das Honorar eines Freiberuflers nun deutlich über einem Stundenlohn von Angestellten sein sollte, kann man die Kosten sehr gut in einer neuen Gehaltsberechnung auffangen.

Was bei der Arbeitszeit noch zu beachten ist, ist, dass der Angestellte nicht nach Schüler, sondern nach Anwesenheit bezahlt wird. Das heißt, zusätzlich anfallende Arbeitszeit, die beispielsweise durch Probestunden, Besprechungen, Konzerte entsteht, müssen natürlich gezahlt werden. Es bedarf schon einer genauen Kalkulation, bevor man seine Musikschule von freiberuflichen Dozenten auf angestellte Dozenten umstellen kann.

Alles in allem: ist das die Zukunft?

Wenn wir zukünftig gute Musikschulen haben und den Job eines Musikschullehrenden attraktiv gestalten möchten, wird uns hier wohl keine andere Möglichkeit bleiben. Ich glaube, dass sich die Musikschullandschaft in Deutschland ändern wird: es wird viele kleine Lehrergemeinschaften mit Selbstständigen geben und große Fächermusikschulen mit angestellten Dozenten und Dozentinnen.

Herr Müller, vielen Dank für das Gespräch.

Foto: Christian Daitche (www.FOTOBONN.de)

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Susann Krieger studierte Korrepetiton/ Musiktheater (HfM Dresden) und Rundfunk-Musikjournalismus (HfM Karlsruhe). Sie arbeitet als freie Autorin für verschiedene ARD-Rundfunkanstalten (u.a. WDR, BR, MDR, SWR) und unterrichtet Klavier. 2017 erhielt sie den Deutschen Radiopreis für die beste Reportage und wurde für den Prix Europa nominiert.

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